SeefeuertauchgangLampedusa, das war für mich bisher ein wiederkehrender Name aus den Nachrichten. Die nur 20 Quadratkilometer große Insel noch südlich von Sizilien, vor der seit gefühlten Jahrzehnten immer wieder Flüchtlingsboote ankommen, oft mit vielen Toten an Bord oder im Meer – eine stete Tragödie, die dennoch für mich irgendwie abstrakt blieb. Dabei kenne ich einerseits Italien sehr gut, und andererseits habe ich eine 19jährige Tochter, die sich stark für syrische Flüchtlinge engagiert und uns schon mit vielen Schicksalen vertraut gemacht hat. Seltsam also, dass die Lage auf Lampedusa dennoch so weit entfernt schien. Das hat sich komplett geändert, seit ich den Film „Seefeuer“ gesehen habe. Am morgigen Donnerstag (28.7.) kommt er in die deutschen Kinos. Und wirklich jeder, der sich in irgendeiner Weise über die Situation der Flüchtlinge in Europa äußert, sollte ihn sich anschauen.

 

seefeuerlandschaftVollkommen unaufgeregt und deswegen umso erschütternder erzählt „Seefeuer“ vom Leben der Bewohner auf Lampedusa und den steten Katastrophen, die sich hier abspielen. Fast symbolisch dafür stehen die Lokalnachrichten des Inselradios mit der Meldung, dass wieder einmal lebende und tote Flüchtlinge vor Lampedusa geborgen wurden, unter den Leichen auch einige Kinder. „Cambiamo argomento“ – „Wir wechseln das Thema“, sagt der Sprecher und berichtet von einer Unterbrechung der örtlichen Stromversorgung. „Arme Seelen“ seufzt die alte Maria, die in ihrer Küche Radio hört, und fährt fort zu kochen. Zwei parallele Welten hat der Regisseur Gianfranco Rosi in dem dokumentarischen Film eingefangen, die fast selbstverständlich nebeneinander existieren. Für „Seefeuer“ hat er auf der diesjährigen Berlinale den Goldenen Bären für den Besten Film gewonnen. Ein Jahr lang seefeuerflüchtlinghat Rosi das Leben auf Lampedusa beobachtet. Man sieht, wie die Flüchtlinge mit Schiffen geborgen werden, wie sie auf der Insel ankommen, untersucht werden und später versuchen, mit Liedern und Fußballspielen die Traumata der Flucht zu verarbeiten. Und man begleitet gleichzeitig den 12jährigen Fischersohn Samuele, Protagonist des Films. Sein Alltag dreht sich nicht um die Flüchtlinge, sondern um die See, das Fischen und Ausflüge mit seiner selbstgebauten Steinschleuder. Die Einwohner der kleinen Mittelmeerinsel leben selbst eher bescheiden, doch gegen die Neuankömmlinge aus Afrika wirken sie reich. Natürlich gibt es Überschneidungen zwischen den Welten: Da sind die Einsatzkräfte, die Flüchtlinge bergen. Oder Dr. Bartolo, der örtliche Arzt, der sich auch um die medizinische Versorgung der lebend Geborgenen und die Untersuchung der Leichen kümmert. Dehydriert, erschöpft und zum Teil schwer krank, kommen sie bei ihm an. Viele leiden unter schweren Hautverätzungen durch Benzin oder Chemikalien auf den Booten. Der pflichtbewusste empathische Mediziner wird zum wahren Helden von „Seefeuer“. Nein, sagt er, er gewöhne sich nicht an die Situation. Das Grauen, die vielen Leichen, die auf dem untersten Deck der Schiffe nicht überleben konnten, die toten Kinder und Schwangeren mit ihren ungeborenen Babys, all dies werde ihm trotz der Jahre nicht zum Alltag. Aber es gelte: Jeder, der von sich behaupte, ein Mensch zu sein, habe die Pflicht diesen Menschen zu helfen (alle Bilder aus dem Film).

seefeuersamuele

Website des Films Seefeuer