Das Artipelag in der Nähe von Stockholm ist eigentlich immer einen Besuch wert. Schon allein wegen der klaren Architektur und der tollen Lage in der Meereslandschaft des Schärengartens. Gerade jetzt aber ist eine Ausstellung zu sehen, die den Ausflug fast zu einer dringenden Angelegenheit macht. Die Schau „Morandi/Edmund de Waal“ übt eine beinahe bezaubernde Wirkung aus. Sie ist wirklich und wahrhaftig zum Weinen schön.
Edmund de Waal kennen die meisten wahrscheinlich vor allem durch seinen Bestseller „Der Hase mit den Bernsteinaugen“. Dass er aber nicht nur ein Schriftsteller, sondern (vor allem) ein international gefeierter Künstler ist, war mir nicht klar. De Waal töpfert seit vielen Jahren. Das hört sich zunächst nicht gerade nach Finesse an. Doch wenn man seine zarten Keramiken aus Porzellan sieht, ist man total hingerissen. Aus kubischen und quadratischen Formen arrangiert er Installationen – in Glasvitrinen, auf Holzregalen oder in Aluminiumkästen. Und diese Formen erweckt er auf eine ganz eigene Weise zum Leben. Sie glitzern und spielen mit Licht und Schatten. Sie bilden Gedichte nach oder Musik – oder sogar die Bibliothek seines Großvaters. Sie erinnern ans Stillleben, aber in der deutschen Variante des Ausdrucks. Nicht das französische „Nature Morte“, das auf tote Gegenstände hindeutet.
Und hier kommt Giorgio Morandi ins Spiel. Diesen italienischen Künstler, der schon seit über 50 Jahren tot ist, verehre ich seit langem. Morandi malte vorwiegend Stillleben, ziemlich auf sich gestellt in seinem Atelier in Bologna. Vasen, Schachteln, Gefäße. Auf seinen Bildern scheint die Stille ins Flirren zu kommen. Es entsteht fast ein überzeitlicher Moment, wenn man seine Gemälde anschaut.
Für das Artipelag hat De Waal seine Installationen mit den Gemälden von Morandi vereint und sie so platziert, dass sie mit der phantastischen, durch die Fenster sichtbaren Natur in eine Art Dialog treten. In der Mitte der Ausstellung ist eine kleine Bibliothek errichtet worden mit Büchern, die De Waal inspirieren. Gedichte von Emily Dickinson zum Beispiel oder von dem großartigen Ossip Mandelstam. Hier kann man verweilen und sich vertiefen. Und dann wandert man wieder durch die hellen Räume, und die Stille scheint zu sprechen. Sofern man nicht gerade den Audioguide benutzt und De Waals schöner und klarer Stimme lauscht (Beitragsbild: © Henning Schneider).
Morandi/Edmund de Waal, Artipelag, Artipelagstigen 1, Värmdö, noch bis 1. Oktober 2017
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