Ein großer brauner Kopf neigt sich leise schnaubend zu mir herunter. Eigentlich habe ich Angst vor Pferden. Doch jetzt gerade könnte der Wallach Putin (gefühlt etwa doppelt so hoch wie ich) noch Stunden neben mit stehen und weiterstupsen. Die Sonne scheint durch das Fenster des Reitstalls auf mein Gesicht, und alles scheint gut. Ich bin bei einem „pferdegestützten Coaching“ des Duos Lee & Brown in Hamburg-Sülldorf. Das klingt zunächst etwas seltsam, doch wenn Mareile Braun und Nico Lee Gogol ihr Konzept erläutern, springt sofort ein Funkenregen der Begeisterung über.
Mareile kenne ich schon seit vielen Jahren. Sie ist Redaktionsleiterin der Zeitschrift „Slow“ und schon allein deswegen auf Themen wie Achtsamkeit und Glücksforschung abonniert. Zudem war sie immer schon ein totaler Naturmensch (einstiges Markenzeichen: stets ein Apfel in der Hand). Zusammen mit Nico Gogol, ebenfalls aus der Medienbranche kommend, hat sie sich einen Traum erfüllt. Die beiden arbeiten mit ausgesprochen schönen und erstaunlich freundlichen Pferden als Berater in allen möglichen Lebenslagen. Pferde, so ihr Credo, sind tolle Lehrer. Sie spiegeln menschliches Verhalten unmittelbar wider und wirken so wie ein Verstärker innerer Vorgänge. Die Pferde werden also zu einer Art „Menschenflüsterer“. Klingt zunächst einmal unglaublich, aber mit einer Gruppe von Freundinnen der beiden sind wir in Sülldorf, um das auszuprobieren.
Mareile wäre nicht Mareile, wenn sie dieses Coaching nicht gleichsam „redaktionell“ einbetten würde. Es steht ganz im Zeichen des Wortes „Hygge“. Das ist dänisch und heißt so etwas wie „Wohlfühlen“ oder „Gemütlichkeit“. Ein bisschen verwandt ist es dem schwedischen „Lagom“, über das ich kürzlich hier etwas gepostet habe. Es geht darum, wie man sein Leben sanfter und freundlicher gestalten kann. Nach einem phantastischen Frühstück in skandinavischem Stil geht es „ans Pferd“. Das finde ich schon einmal sehr erleichternd, denn reiten möchte ich nun wirklich nicht. (Ich bin als Kind einmal vom Pferd gestürzt, obwohl das nur Schritt ging – so traumatisch wie peinlich…). Die Teilnehmerinnen können in praktischen Übungen ausprobieren, ob die Pferde bei schwierigen Fragen eine Hilfe bieten. Bei mir etwa dreht sich alles darum, wie ich in meinem eigentlich dauerturbulenten Leben zur Ruhe kommen kann. Ich soll mir nun im Stall neben den Pferden eine Ecke suchen, mit einem Seil einen Kreis um mich legen und mich möglichst ungestört auf einen Klappstuhl setzen. Schon allein der Gedanke verursacht Schweißausbrüche bei mir. Doch tapfer gehe ich hinter die Absperrung. Und versuche cool zu bleiben, ich habe ja keine Wahl. Die Pferde kommen sofort penetrant hinter mir her. Doch, oh Wunder! Es stört mich überhaupt kein bisschen. Ruhe kommt eben von innen, nicht von außen. Das so simple wie wahre Ergebnis: Ich kann meinen inneren Frieden durchaus in vermeintlich angespannten Situationen finden. Noch Tage später durchläuft mich so etwas wie ein warmes Leuchten, wenn ich an die Pferde denke. Das Ganze ist natürlich nur eine Kostprobe des in Wahrheit viel komplexeren Coachings unserer beiden Trainer. Es reicht aber dafür, dass ich ziemlich beeindruckt bin.
Zum „hyggeligen Fortgang“ des Seminars geht es vom Stall ins Landhaus Flottbek., wo wir über Dinge wie Lebenseinstellung, Zufriedenheit und Stressoren sprechen. Glück, das machen die Pferde deutlich, kann man trainieren. Glück ist auch das wunderbare Abendessen in der Brasserie des Landhauses. Der Hotelier Nils Jacobsen hat es so stilvoll und zugleich gemütlich eingerichtet, dass man hier überhaupt nicht mehr wegwill. Kein Wunder, dass es „Hygge“ heißt (alle Bilder hat die tolle Fotografin Gaby Bohle an unserem Tag für Lee & Brown gemacht).
Hier geht es zum Coaching mit Mareile Braun und Nico Lee Gogol
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