Eine enge Freundin von mir sprüht seit ein paar Wochen geradezu vor Energie. Dabei war sie gar nicht im Urlaub, hat gerade ziemlich viel zu tun und kämpfte vor kurzem noch mit einer heftigen Grippe. Jetzt sieht sie blendend aus, wirkt äußerst ausgeruht und voller Tatendrang. Als ich sie kürzlich fragte, woher diese neue Kraft kommt, lautete die Antwort „Miracle Morning“. „Miracle Morning“ ist ein Morgenprogramm, das sich der Amerikaner Hal Elrod ausgedacht hat: Man steht dabei etwa eine Stunde früher als gewöhnlich auf, um sich der, wie er es nennt, „persönlichen Entwicklung“ zu widmen. Das klingt zunächst ziemlich abschreckend.
Ich hasse es, zu früh aufzustehen. Und dann gleich noch irgendwelche Aktivitäten zu absolvieren, brr, klingt einfach ungemütlich. Aber das Beispiel meiner Freundin war so schlagend, dass ich mich aufgerafft habe, um es auszuprobieren. Und es ist wirklich erstaunlich. Ich wache plötzlich ohne Wecker auf. Ich habe den ganzen Tag über ein ungewöhnlich geordnetes, positives Grundgefühl. Und ich brauche tatsächlich weniger Schlaf. Zudem bin ich auch an anstrengenden Tagen weniger gereizt. Hal Elrod hat seine „Miracle Morning“-Methode in einem Buch verewigt, und es ist ziemlich einfach, sie anzuwenden. Allerdings muss ich vor der Kurzbeschreibung seiner „Technik“ noch eine kurze Warnung voranstellen: Die ersten Seiten des Buches waren für mich ziemlich gewöhnungsbedürftig. Sie erinnern fast an die Reden eines Erweckungspredigers. Elrod beschreibt, wie er nach zwei heftigen Lebenskrisen sprichwörtlich am Boden lag, dank seiner Methode sein Leben komplett umkrempeln konnte und heute ein glücklicher Mensch ist. Dies alles formuliert er mit einer Reihe von Hauruck- und Erfolgsparolen. Dann schreibt er aber auch wieder mit viel Witz und Selbstironie, und man liest gerne weiter. Das „Miracle-Morning“-Ritual überzeugt total. Das frühere Aufstehen dient schlicht dazu, ein ungestörtes Zeitfenster zu finden. Elrod gibt ein paar Tipps, wie es besser klappt (u.a. soll man sich abends schon vornehmen, dass es funktionieren wird). Dann läuft es.
Und schon landet man bei Elrods „Life-S.A.V.E.R.S“ – sechs Dingen am Morgen, die einen ganz anders in den Tag gehen lassen. Das erste „S“ steht für „Silence“, ein paar Minuten für ein Gebet oder eine Meditation. Damit zentriert man sich schon einmal und stimmt sich ein. Das „A“ danach bedeutet „Affirmations“ und beschreibt den Versuch, durch positive Gedanken negative Muster zu durchbrechen. Hinter dem „V“ verbirgt sich „Visualization“ – man soll sich gewünschte Veränderungen im eigenen Leben bildlich vorstellen. „E“ heißt „Exercise“, also ein Mini-Sportprogramm, in meinem Fall eine 15-minütige Yogasequenz. Hinter „R“ verbirgt sich „Reading“ – zehn Minuten Lesen. Hierfür schlüpfe ich (anders als Elrod es vorschlägt) noch einmal zurück in mein Bett und lese mit einem Kaffee die Zeitung. Das letzte „S“ bedeutet „Scribing“, Schreiben. Ausgerechnet das habe ich als passionierte Journalistin noch nicht umgesetzt, aber vielleicht kommt das noch. Doch der Rest reicht schon: Es ist erstaunlich, mit wieviel Energie man in den Tag startet. Ich kann „Miracle Morning“ wirklich nur jedem empfehlen, auch ausgesprochenen Langschläfern. Ob man sich gleichzeitig mit der Netz-Community von Elrod-Fans virtuell verbindet, bleibt Geschmacksache. Mein Fall ist es überhaupt nicht, aber der ganze Rest entfacht tatsächlich morgendliche Magie (was hoffentlich auch die Bilder zeigen, die ich alle gestern am Morgen in einem Landhaus im englischen Rutland gemacht habe).
Hal Elrod: „Miracle Morning. Die Stunde, die alles verändert“, Irisiana Verlag 2016, € 17,99.
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